Interview mit Dr. Hans-Joachim Schinkel anlässlich des 20-jährigen DfA Patenschaftsprojekt Jubiläums

Sr. Fabian ganz links im Bild, Sr. Seraphine die Zweite von rechts
Deutsch-Kenianische Zusammenarbeit seit 1999 – DfA und die Franziskanerinnen
August 30, 2022
Der Educational Fund: Von ehemaligen DfA Patenkindern, die selbst zu Paten werden
September 26, 2022

Interview mit Dr. Hans-Joachim Schinkel anlässlich des 20-jährigen DfA Patenschaftsprojekt Jubiläums

DfA Patenkinder bei einem Seminar in Nyabondo

Dr. Hans-Joachim Schinkel: Mein Name ist Hans-Joachim Schinkel, ich arbeite seit 40 Jahren als Zahnarzt in Sömmerda. Ich hatte in den 90er Jahren zweimal die Gelegenheit, Hilfseinsätze in Brasilien zu machen und da kam mir die Idee, einen eigenen Verein zu gründen. Und so ist 1999 die Arzt- und Zahnarzthilfe Kenia entstanden, die später in Dentists for Africa umbenannt wurde.

Wir haben 1999 relativ schnell einen Container gepackt mit zahnärztlicher Ausrüstung und den nach Kenia geschickt. Im Jahr 2000 haben wir die erste zahnärztliche Station in Nyabondo in Westkenia aufgebaut.

Clara Wiest: Das ganze begann also als rein zahnärztliches Projekt.

Dr. Hans-Joachim Schinkel: Genau. Als die Station stand, haben wir Einsatzleistende gesucht. Und dann sind auch relativ zügig, Ende 2000, die ersten Einsatzleistenden nach Kenia geflogen, um dort zu arbeiten. Also am Anfang vor allem zahnärztlich.

DfA Patenkinder und Absolventen des Projekts bei einem zahnärztlichen Seminar
DfA Patenkinder und Absolventen des Projekts bei einem zahnärztlichen Seminar im April 2022

Clara Wiest: Und wie kam es dann zur Gründung des Patenschaftsprojekts?

Dr. Hans-Joachim Schinkel: Die Hauptsorge der Kenianer war meistens die Frage, wie ihre Kinder zur Schule gehen können. Und wie können vor allen Dingen die vielen Waisen zur Schule gehen, die in Folge der Aids-Pandemie zurückgelassen sind? Sie haben häufig ganz große Probleme, ihren Lebensunterhalt zu bewältigen und oft so gut wie keinen Zugang zur Bildung. Was uns als Einsatzleistende vor Ort wirklich persönlich betroffen gemacht hat, war die Not der Kinder. So kam die Idee auf, besonders von Seite eines Hamburger Zahnarztes, Dr. Ulrich Happ, das Patenschaftsprojekt zu gründen. Unsere Projektpartner sind Franziskanerinnen. Das war für uns auch damals schon bei der Gründung des zahnärztlichen Projekts der wesentliche Grundpfeiler. Wir waren sicher, mit ihnen als Partner haben wir Erfolg, weil diese Frauen, die uns als Partner unterstützen und mit denen wir zusammenarbeiten, sehr gut strukturiert sind. Das auch besonders in Bezug auf das Patenschaftsprojekt. Ihr ureigenstes Anliegen ist es, diese Kinder zu unterstützen.

Clara Wiest: Also das Patenschaftsprojekt war im Endeffekt eine Antwort auf die Bedürfnisse vor Ort, die ihr dort gesehen habt?

Dr. Hans-Joachim Schinkel: Das kann man so sagen, ja.

Clara Wiest: Und lief das ganz problemlos oder gab es Hürden auf dem Weg, gerade am Anfang?

Dr. Hans-Joachim Schinkel: Da gab es keine großen Hürden. Natürlich fing es ganz langsam an. Nach ungefähr 6 oder 7 Jahren waren schon 100 Kinder in dem Projekt. Der große Schub kam im Jahr 2008, als wir das Ganze professionalisiert haben und natürlich auch durch die große Zahl der Einsatzleistenden, die selbst zu Multiplikatoren für dieses Projekt geworden sind. Da kam in das Patenschaftsprojekt eine ziemliche Dynamik.

Clara Wiest: Was ist das Besondere am DfA-Patenschaftsprojekt im Vergleich zu Patenschaftsprojekten anderer Organisationen?

Dr. Hans-Joachim Schinkel: Ich denke, das Besondere an unseren Projekten insgesamt ist die Verknüpfung zwischen den drei Hauptprojekten, also dem Patenschaftsprojekt, dem zahnärztlichen Projekt und der Witwenkooperative. Die Witwenkooperative ist ja ein ähnlich soziales Projekt, das die Bedürfnisse vor Ort ganz stark berücksichtigt. Die Witwen haben uns auf diese Weise überzeugt: Obwohl sie selbst in so großer Not leben, nehmen sie in ihre Häuser noch zusätzlich Waisenkinder auf und sorgen für sie. Diese Frauen geben letztlich alles, was sie haben, für ihre Kinder. Dann sollten wir wenigstens, die wir so viel haben, diese Menschen unterstützen. Das war, denke ich, für fast alle Einsatzleistenden ein Resümee ihres Einsatzes. Deswegen hat sich das Projekt in Deutschland auch so glaubwürdig entwickelt.

Die Frauen der Witwenkooperative verdienen mit ihrem Cateringservice unabhängig Geld für sich und ihre Familien
Die Frauen der Witwenkooperative verdienen mit ihrem Cateringservice unabhängig Geld für sich und ihre Familie

Clara Wiest: Die drei Projekte sind sehr eng miteinander verflochten. Eigentlich funktioniert das Eine nicht so richtig ohne das Andere. Oder würde es vielleicht schon, aber in der Kombination ist es perfekt, oder?

Dr. Hans-Joachim Schinkel: Ja, in der Kombination ist es perfekt, weil einerseits durch das Patenschaftsprojekt die Witwen entlastet werden und wir andererseits natürlich auch in dem zahnärztlichen Projekt von dem Patenschaftsprojekt profitieren. Viele Waisenkinder haben mittlerweile einen zahnärztlichen Berufsabschluss und unterstützen dann dieses Projekt auch mit ihrem Engagement und betreiben es gemeinsam mit uns.

Clara Wiest: Das macht dann auch einen Teil der Nachhaltigkeit von Dentists for Africa aus. Und auch der Educational Fund, also dass jedes Patenkind, nachdem es die Ausbildung abgeschlossen hat, wieder etwas zurückgeben kann, steht vollständig unter diesem Anspruch, nachhaltig zu helfen.

Dr. Hans-Joachim Schinkel: Ja, das war eine sehr gute Idee und entspricht auch der Einstellung vieler Kenianer, dass sie etwas zurückgeben wollen. Der Educational Fund bewirkt, dass die Absolventen des Waisenprojekts, also diejenigen, die eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, 10% der Fördersumme, die sie von uns erhalten haben in diesen Fund Schritt für Schritt einzahlen, sobald sie finanziell in der Lage sind und Geld verdienen. Von diesem Geld können weitere Waisenkinder in Kenia, die auch von ihnen selbst ausgesucht werden, gefördert werden. Das macht uns sehr stolz. Mittlerweile sind es 19 Waisenkinder, die von Kenianern unterstützt werden.

Clara Wiest: Was sind denn die Vorteile, wenn man eine DfA Patenschaft übernimmt?

Dr. Hans-Joachim Schinkel: Erstmal ist ein Kriterium, dass dem Paten nur die Kosten, die tatsächlich für das Kind anfallen, in Rechnung gestellt werden. Und das Patenschaftsteam in Kenia unter Leitung von Sister Seraphine, das ist eine franziskanische Nonne, stellt uns die Quittung zur Verfügung und die Abrechnung für das jeweilige Kind. Dadurch ist eine sehr hohe Transparenz gewährleistet. Die Gelder, die der Pate zahlt, kommen direkt dem Patenkind zugute. Das ist der große Vorteil in unserem Projekt.

Sr. Seraphine, seit 2007 Leiterin des DfA Patenschaftsprojekts
Sr. Seraphine, seit 2007 Leiterin des DfA Patenschaftsprojekts

Clara Wiest: Gibt es momentan Herausforderungen im Projekt?

Dr. Hans-Joachim Schinkel: Ja, es gibt große Herausforderungen, auch im Patenschaftsprojekt. Die sind einmal bedingt durch die große Zahl von Waisenkindern. Wir können natürlich nur einem Teil der Kinder helfen. Eine weitere Herausforderung sind Waisenkinder, die in reinen Kinderfamilien leben. Kein Erwachsener hilft ihnen und sie müssen für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen. Außerdem steigen die Kosten in Kenia. Natürlich besonders jetzt bedingt durch die Folgen des Ukrainekriegs und durch die große Trockenheit zum Beispiel. Aber generell auch die extreme Inflation in Kenia. Damit steigen die Kosten für die Waisenkinder natürlich auch und wir müssen diese Kosten in einem bestimmten Rahmen halten.

Wir geben jedem Paten die Möglichkeit, seinen Zahlungsmodus und seine Kostengrenze selbst festzulegen. Es ist eine Herausforderung, dass wir für jedes Kind mit seinen individuellen Voraussetzungen eine adäquate Schule finden, die zugleich im Budget liegt.

Eine besondere Herausforderung für uns ist, dass wir die Kinder auf Internatsschulen schicken. Das ist wichtig gerade für Waisenkinder, da sie so ein gutes Lernumfeld haben. Sie haben dort Zeit zum Lernen und können sich darauf konzentrieren. In ihrem häuslichen Umfeld ist das oft schwierig. Dort haben sie weder Strom noch Wasser und müssen oft noch zusätzlich arbeiten. Es gibt noch weitere Herausforderungen, zum Beispiel HIV-positive Kinder, die gefördert werden wollen.

Unsere Patenschaften laufen bis zum Abschluss der Berufsausbildung. Dann stellt sich die Frage: Inwiefern können wir Einzelnen, besonders begabten, ein Studium ermöglichen. Das verursacht dann wiederum hohe Kosten. Das müssen wir dann mit den jeweiligen Paten absprechen oder vielleicht aus unseren Spendengeldern Mittel zur Verfügung stellen. Das ist auch ein wichtiger Punkt. Neben den persönlichen Patenschaften haben wir noch Patenkinder, die direkt von Dentists for Africa bezahlt werden. Ich denke, das sind so die wesentlichen Dinge, die uns jeden Tag fordern.

Clara Wiest: Was sind denn die Ziele für die nächsten Monate und Jahre?

Dr. Hans-Joachim Schinkel: Unser Hauptziel ist es, immer mehr Verantwortung nach Kenia zu übertragen. Wir unterstützen die Vernetzung unter den Patenkindern, dass ein Team in Kenia sich weiterentwickelt und weiterbildet, um mehr Verantwortung zu übernehmen.

In diesem Zusammenhang möchten wir auch den Educational Fund weiter ausbauen. Das heißt, die Unterstützung oder die Bezahlung der Kosten für kenianische Kinder von den Kenianern selbst. Und dann überlegen wir zum Beispiel, ein Kinderdorf in Koliech zu bauen. Letztendlich ist es vor allen Dingen wichtig, das zu sichern, was jetzt schon gut läuft und das nachhaltig weiter auszubauen.

Clara Wiest: Vielen Dank, Achim, für deine Zeit!