Im April reisten Katharina Weiland-Zejewski, ehrenamtliche Leiterin des Witwenprojekts, Anne-Kristin Henker, Programm Managerin und Nicholas Koech, ehemaliges Patenkind, heute Mitglied des Vorstands von Dentists for Africa (DfA), gemeinsam mit ihren Familien nach Kenia. Als ehrenamtliche Einsatzleistende war ihr Ziel die Witwenkooperative St. Monica Village in Nyabondo im Westen des Landes, in der auch das Patenschaftsbüro von DfA untergebracht ist. Eine Woche lang waren sie hier tätig: Beim Start neuer Projekte, bei der Ausgabe von Spendengütern und mit eigenen unterstützenden Projekten.
Lest hier Teil1, Teil 2 und Teil 3 des Berichts.
Ein Seminar zum Thema HIV findet am Mittwoch, 16. April, mit 152 Teilnehmerinnen statt. Ich bin sehr froh an diesem Seminar teilgenommen zu haben, um mich in die Not und die Sorgen der Witwen nach der Auflösung von USAID hineinfühlen zu können. Zeitgleich bin ich dankbar dafür, dass ich zu diesem Zeitpunkt im St. Monica Village bin und nicht in einigen Monaten. Denn aktuell gibt es noch Medikamente, es sind Restmedikamente. Früher konnte man sich die antiretroviralen Medikamente für einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten abholen. Jetzt gibt es sie nur noch wöchentlich. Die Witwen erzählen ihre Geschichten. Sie erzählen, wie es zur HIV-Infektion kam, wie sie lernten damit umzugehen und wie sie danach von ihrem Umfeld behandelt, misshandelt und stigmatisiert wurden. Die Geschichten bewegen mich sehr. Viele sind seit den 1990er Jahren HIV-positiv, konnten aber dank der Medikamente ein gesundheitlich weitgehend unbeeinträchtigtes Leben führen. Gesellschaftlich hingegen war das Leben für viele Betroffene mit Bekanntwerden der Infektion vorbei. Als „walking dead“ wurden sie bezeichnet.
Die Region im Westen Kenias ist besonders von HIV und AIDS betroffen, die Rate ist bis zu 4,5-mal höher als im Rest des Landes. Fast jede/r Fünfte ist von der Krankheit betroffen, „Frauen nach wie vor unverhältnismäßig stark“, so ein Bericht des kenianischen Nationalen Rats zur Bekämpfung von Seuchen (NSDCC) sowie der „KENPHIA 2018 Preliminary report“. EinGrund ist die in vielen afrikanischen Ländern südlich der Sahara weit verbreitete kulturelle Praxis der Vererbung von Witwen, die sich in der Luo-Gemeinschaft in Kenia trotz des Auftretens von HIV/AIDS in Kenia im Jahr 1984 und trotz Studien, die den Zusammenhang zwischen Witwenvererbung und HIV/AIDS nachgewiesen haben, gehalten hat.
Bewegende Schicksale und ein klarer Appell
Vier ausgebildete Beraterinnen der Kooperative stehen den Witwen zu bei psycho-sozialen Herausforderungen zur Seite.
Eine Witwe erzählt, dass das Dach ihrer Hütte entfernt wurde, um sie zu vertreiben. Andere wurden zusammengeschlagen, es wurde erzählt, Fliegen könnten das Virus übertragen und jeder der Hilfe leisten würde, würde ebenso an AIDS sterben. In den meisten Fällen waren es die Ehemänner, die das Virus an sie und weitere Ehefrauen übertragen haben. Eine Witwe erzählt, sie habe ihren Mann zufällig im Krankenhaus getroffen als er seine HIV-Medikamente abholte. Sie selbst wusste nichts von der Infektion und sei wegen Bauchschmerzen im Krankenhaus gewesen. Wieder andere erfuhren durch den besten Freund des Mannes von dessen Erkrankung. Der Einfluss der Infektion auf das Leben der Betroffenen ist enorm. Elisabeth (Titelbild) erzählt, sie habe als Fahrerin gearbeitet und 13.000 Ksh (rund 98 Euro) im Monat verdient. Als ihr Arbeitgeber erfuhr, dass sie HIV-positiv war, wurde ihr gekündigt. Sie versuchte an verschiedenen Orten Fuß zu fassen, doch das Gerede über ihre Krankheit eilte ihr voraus. Sie fand Arbeit als Fahrerin, wurde aber nicht bezahlt. Heute klärt sie andere über das Virus auf – auch Männer.
Bemerkenswert ist die Unterstützung untereinander. Diese Frauen haben so viel mitgemacht und sind daran gewachsen. Sie sind stark und mutig und suchen nach Lösungen. Eine idee, die sie sich überlegt haben, werden wir in den nächsten Wochen prüfen. Das Seminar endet mit den Worten:“ Bitte lasst uns nicht ohne Medikamente!“
Treffen mit unserem Patenkind
Ich lernte Amos kennen, als er 9 Jahre alt war, er wohnte mit seiner Mutter und seinen 8 Geschwistern in einer Notunterkunft im Witwendorf. Später wurde er unser Patenkind, er beendete die Schule und machte eine Ausbildung zum Elektriker. Heute lebt und arbeitet er in Kisumu, auch einige seine Geschwister wurden durch Patenschaften unterstützt. Amos ist mittlerweile 25 Jahre alt und steht auf eigenen Beinen. Wie sehr, das zeigt er uns nach dem HIV-Seminar. In der Nähe der Witwenkooperative haben er und seine Geschwister ein Stück Land gekauft, darauf bauen sie gerade drei Häuser für die Mutter und zwei der Brüder. Immer wieder betonen sie, dass ihr Leben ohne das Patenschaftsprojekt von Dentists for Africa anders ausgesehen hätte. Wir sind sehr beeindruckt von dem, was die Familie dort baut und auch das Haus, in dem sie wohnen, bis das neue Heim fertig ist, ist gut eingerichtet, mit einer bequemen Couch und einer Schrankwand. Amos hat für Elektrizität gesorgt und es gibt einen Kühlschrank und Fernsehen sogar Mittagessen wartet auf uns. Bei unserem letzten Besuch gab es dort einen Tisch und einen Stuhl, auf den sich niemand setzen wollte, weil er der einzige im ganzen Haus war. Jeder gibt seinen Beitrag zum Wohl der Familie und wir werden eingeladen, bei unserem nächsten Aufenthalt im neuen Haus zu wohnen und so lange zu bleiben, wie wir möchten. Amos hat sogar Geschenke besorgt, er wusste, dass Laurenz kürzlich Geburtstag hatte. Damals, zu Laurenz Geburt, hat Amos ihm einen Brief geschrieben unterzeichnet mit „Dein Bruder aus Afrika“.
(Fortsetzung: In Teil 5 berichtet Katharina über Begegnungen während eines Seminars für Teenagermütter, eine kurzweilige zahnmedizinische Schulung der Kindergartenkinder und ein fröhliches Fest.)